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Barbara Buttinger-Förster

Die Göttin - Erscheinungsformen und Symbole
in Mythen und Märchen

(Ausschnitte eines Vortrags im Haus der Frau Linz, 2004)

Es handelt sich bei diesem Thema nicht vorrangig um eine geschichtliche Angelegenheit, sondern es besitzt, meiner Meinung nach, eine konsternierende Aktualität, welche alles auf den Kopf stellt, wenn man sich darauf einlässt.
"Mythen und Kunst sind die weibliche Form der Geschichtsschreibung", sagt Jutta Voss in ihrem Buch "Das Schwarzmondtabu". Sie sprechen eine andere Sprache als die überlieferte Geschichte, welche immer die Geschichte der Eroberer und Sieger ist. Andererseits erzählen sie jedoch auch von einer Realität, welche über das Geschichtliche hinausgeht….

Ich habe mich entschlossen, meine Ausführungen anhand zweier Geschichten zu machen, welche, wie ich meine, eine besonders klare Sprache sprechen und die wesentlichen Merkmale einer Weltempfindung, eines Seins in der Welt verkörpern, welches eingebettet ist in die allumfassende Wirklichkeit des göttlichen Weiblichen. Eine Ahnung, einen Geschmack davon, wie verschieden dieses zu unserer vorherrschenden Befindlichkeit ist, bekommt man dann, wenn man es mit dem "ganz anderen" zu tun hat...etwa Relikten archaischer Kulturen, den letzten Vertretern und ihren Werten, den Schamanen...aber auch Künstlern...es zählen andere Werte, eine andere Logik, wenn man hier dieses Wort, das einer relativ späten Epoche der Menschheitsgeschichte entstammt, überhaupt gebrauchen will... da werden wir uns bewusst, wie unser ganzes Sein, unser Empfinden, unser Denken, unsere Vorstellungen und unser Schaffen davon beeinflusst werden….

Die erste Geschichte, welche ich Ihnen nahe bringen möchte, ist ein russisches Märchen. Russische Märchen haben oft ähnliche Motive und Elemente wie die uns bekannten Grimmschen, Details aber, auf die wir noch näher eingehen werden, verraten uns, dass sie meist in älteren Fassungen überliefert werden, als das bei uns im deutschsprachigen Raum der Fall ist.
Das Märchen heißt: Wasilissas Gang zu Baba Jaga ….

Bevor es aber so weit ist, muss Wasilissa noch Prüfungen bestehen. Baba Jaga selbst erteilt ihr diese Prüfungen. Sie trägt alle Zeichen der Schwarzen. Dass sie als furchterregend und todbringend geschildert wird, deutet ebenfalls darauf hin, dass die Geschichte aus einer sehr späten Schicht matriarchalen Kultes, matriarchaler Erinnerung stammt....die Degeneration der Schwarzen, des letzten Aspekts der Großen Dreifachen, hat schon stattgefunden. Allerdings entpuppt sie sich im Laufe des Märchens als das, was sie immer schon war: Als die Herrin über Leben und Tod, die Hüterin der letzten Ordnung, die Prüfungen zuteilt und Reife gibt, die, welche aus einem Ende einen neuen Anfang macht. Mit der Hand an ihrer Puppe stellt sich Wasilissa der gefürchteten Schwarzen. Ihre Aufgaben erscheinen unlösbar, doch mit Hilfe der Puppe werden sie bewältigt….

Was aber hat dieses Geschehen mit der weiblichen Initiation und im Speziellen der Menstruation zu tun?....

Wynona La Duke, die indianische Bürgerrechtlerin und Politikerin, drückt es so aus: "Die Männer fürchten, wir könnten uns unser Stück vom Kuchen holen. Aber wir wollen einen anderen Kuchen."….

Aber Baba Jaga ist immer noch die Kraft des Feuers, auch wenn es erloschen ist. Wir könnten in den Wald gehen und nach ihr suchen. Wir könnten im Licht des wieder aufflackernden Feuers Werte entdecken wie das Träumen, die Muße, das Spüren, die Leidenschaftlichkeit, die Solidarität, die Kreativität, und besonders die Hingabe. Wir könnten uns wieder einschwingen in natürliche Rhythmen und aus der Kraft unserer Autonomie den Auswüchsen patriarchal-linearer Weltverwaltung die Energie verwehren: Klonen, Atomkraft, Leistungsdruck bis zur Gefühllosigkeit, Genmanipulation unserer Nahrung, Ausbeutung unserer tierischen und pflanzlichen Geschwister, Ausrottung der Vielfalt, Kinderfeindlichkeit...die Liste wäre noch lang...aus unserer Autonomie heraus könnten wir nein sagen zu diesem Kuchen….

Eine zweite Geschichte, welche ein urweiblicher Mythos ist, ist die von der Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, welche um ihre von Hades, dem Gott der Unterwelt, geraubte Tochter Persephone trauert, und zwar sosehr, dass sie den olympischen Göttern droht, die Fruchtbarkeit von der Erde wegzunehmen und dies auch tatsächlich für eine gewisse Zeitlang tut. Demeter ist eine sehr alte Göttin, und die olympischen Götter sind eine neue Generation….

Sehr interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Tatsache, von der Bachofen in seinem Buch "Das Patriarchat" berichtet, dass real während der geschichtlichen, mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Epoche des Übergangs von der matrilinearen Gesellschaftsordnung, welche auf der Bebauung des Bodens unter weiblicher Dominanz gründete, zu einer patriarchalen, von Männern dominierten Viehzüchtergesellschaft – dass während dieser Zeit alle hochentwickelten Errungenschaften der Nahrungsproduktion verloren gingen und drei Viertel der griechischen Bevölkerung ausstarben – an Nahrungsknappheit. Das von Homer überlieferte Bild der zürnenden Göttin Demeter entbehrte also wahrlich nicht einer realen Grundlage….

Nachdenklich macht natürlich die Tatsache des Herosopfers, welches als real von allen großen Mythenforschern angenommen wird, zumindest in früher Zeit, bevor der Heros dann meist durch einen Stier kultisch ersetzt wurde. Was dabei jedoch wichtig ist zu sehen, ist die Überzeugung dieser frühen Menschen, dass ihr eigenes Mitwirken am Ablauf der Naturgeschehnisse und des Lebens unerlässlich sei….

Der archaische und auch der matriarchale Mensch lebte also in der Überzeugung, dass seine ganze Existenz zum Mitvollzug dieser göttlichen Mysterien gebraucht wurde. Der Gedanke, gebraucht zu werden, berufen zu sein, machte ganz, heil und zur Selbsthingabe bereit.
Heute noch tanzen verschiedene nordamerikanische Indianerstämme ihren jährlichen Sonnentanz, welcher von der amerikanischen Regierung jahrzehntelang verboten war und trotzdem heimlich in den Prärien abgehalten wurde. Selbstaufopferung, Blut und körperlicher Schmerz, am wichtigste aber: Hingabe - sind die Gaben der Teilnehmer, damit das Leben weiter bestehe, sie sind jedoch auch das Vehikel zu ekstatischen, mystischen Erlebnissen und einer prophetischen Weltschau.
Sie geben uns noch einen wichtigen Hinweis, warum jahrtausendelang nur Männer tanzten: Weil Frauen ihren Teil am Opfer durch das Gebären geben.
Kurz sei an diese Reflexion zum Herosopfer noch angefügt, dass einschlägige Ausgrabungen davon zeugen, dass es in matriarchaler Zeit jahrhundertelange Friedenszeiten gegeben haben muss. Die patriarchale Zeit brachte ihre Opfer auf eine andere Weise, und auch diese wurden als heroische Taten für das Volk deklariert….

Der Gedanke des Opfers ist heute äußerst unpopulär und wird auch großteils falsch verstanden. Mir persönlich scheinen für diesen Begriff des Opfers folgende Dinge von zentraler Bedeutung:

Die Akzeptanz der eigene Bestimmung und deren Bedeutung für das Ganze

Das Bewusstsein von Verwandlung....die Fähigkeit loszulassen, zu wachsen, sich zu entwickeln

Das Schöpferische im Sinne der Mitgestaltung und Mitverantwortung gegenüber Leben und Realität und den kommenden Generationen

Um nochmals auf die zwei Versionen unseres Mythos zu kommen, so erfüllt mich in der ersten der Tod des Heros, in der zweiten die Entmachtung der Göttin mit Trauer. Ich glaube, dass wir an der Schwelle zu etwas ganz Neuem stehen, und ich glaube, dass dieses Neue maßgeblich von uns Frauen in die Welt gebracht werden wird. Allerdings wird und kann es nicht die alte Form des über 4000 Jahre bestandenen Matriarchats sein, es ist jedoch sehr wichtig, sich die tiefen Schichten, welche diese Menschheitserfahrungen in unserer Seele hinterlassen haben, bewusst zu machen, sich da hinein zu träumen, damit eine Balance zu der jetzt vorherrschenden patriarchalen Bewusstseinsstruktur entsteht, aus der heraus dann das Neue, vielleicht, geboren werden kann.
Als Frau und Künstlerin versuche ich heute, meinem inneren Kind zu folgen auf der Spur des Schöpferischen und im Bewusstsein von Geschwisterlichkeit.

Quellennachweis bzw. Literaturempfehlungen zum Vortrag
"Die Göttin – Erscheinungsformen und Symbole"

Jutta Voss: Das Schwarzmond-Tabu
Die kulturelle Bedeutung des weiblichen Zyklus
Kreuz-Verlag

Ingrid Riedel: Die verlassene Mutter
Mütter und Töchter im Demeter-Mythos
Kreuz-Verlag

Heide Göttner-Abendroth: Die Göttin und ihr Heros
Matriarchate als herrschaftsfreie Gesellschaften
Verlag Frauenoffensive - Edition Amalia

Marija Gimbutas: The Goddesses and Gods of old Europe
Myths and Cult Images

Sigrid Früh: Der Kult der drei Heiligen Frauen
Märchen, Sagen und Brauch
Edition Amalia

Monika Hauf: Die Templer und die große Göttin
Patmos Verlagshaus

Shahrukh Husain: Die Göttin
Knaur Verlag

Marko Pogačnik: Die Landschaft der Göttin
Heilungsprojekte in bedrohten Regionen Europas
Diederichs Verlag

Georg Rohrecker: Druiden, Wilde Frauen, Andersweltfürsten
Das keltische Erbe in Österreichs Sagen
Pichler Verlag

Robert von Ranke –Graves: Griechische Mythologie
Quellen und Deutung
Rowohlt Verlag

Erich Neumann: Die große Mutter
Patmos Verlagshaus

 
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