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Muttergottheiten – Mysterien - Metamorphosen
Aufgelöst im raum- und zeitlosen
Schwarz
Schwimmend getragen von Deinem wärmenden
Dunkel
Bergender Mutterschoß
All - Eine
Das bist Du
Jede Seligkeit erinnert an Dich
Text : Aus dem Katalogvorwort von Christine Sixthofer / April 2008
(Sängerin, Lehrende an der Musikuniversität Wien, Lebens- und Sozialberaterin, jahrelange tiefe und aktive Verbindung mit dem spirituellen Weg der Lakota).
In den Bildern von Barbara Buttinger-Förster begegnen wir Anklängen an weibliche Archetypen sowie deren Emblemen und Begleitern, wie wir sie in alten, bis in die Steinzeit zurück reichenden und matriarchalen Kulturen finden. Deren teils fragmentarische Überlieferungen können wir auch heute noch bei indigenen Völkern, aber ebenfalls bei uns in Brauchtum, Märchen und „umgetauften“ christlichen Frauengestalten entdecken, sowie in archäologischen Artefakten bewundern.
Es ist anzunehmen, dass ursprünglich die Vorstellung einer Urmutter vorhanden war. Diese war die letztlich unfassbare All - Eine, die aus ihrem Schoß heraus alles Leben erschuf, ernährte und auch dorthin wieder zurücknahm, um es so in zyklischer Abfolge wieder zu gebären. Allmählich wurde diese All-Große wohl in einer Vielfalt von Aspekten gesehen, die ihre hellen und dunkeln Seiten widerspiegelten. Diese Große Mutter, Muttergottheit, Weltenschöpferin wird u.a. auch immer wieder in dreifacher Gestalt vorgestellt. Manchmal tritt sie farblich unterschieden auf als „die Weiße“, „die Rote“ und „die Schwarze“. Diese symbolisieren die drei weiblichen Lebensabschnitte: das Mädchen, die fruchtbare Frau und die weise Alte. Ihre Entsprechungen wurden auch in Tieren und Landschaften, im Kosmos und insbesondere im Jahreslauf gesehen.
Schemenhaft erinnern noch u.a. die hl. Drei Madln an sie als Katarina, Margarete, Barbara, sowie die Figuren der drei Saligen in den Märchen. Auch Namen von Gewässern (z.B. Isar), Bergen (z.B. Silvretta) oder Landschaften (z.B. Noreia/Noricum) beziehen sich nach wie vor auf die vielgestaltige mütterliche Schöpferin.
Statt unserer heutigen biologisch-wissenschaftlichen, betont männlichen
Denkweise wie z.B. „ Samenzelle befruchtet Eizelle“ war die Sichtweise der
archaischen Menschen am ganzheitlichen Erleben interessiert. Im emotional-
mental–körperlich-spirituellen Mitschwingen wurde das geheimnisvolle Wachsen
und Werden des Lebens im Mutterleib und dessen Geburtsvorgang daraus wahrgenommen. Es war ein Erleben, das sich immer und überall dem Geheimnisvollen, Unerklärlichen zuwandte, welches niemals zu entschlüsseln war, niemals rational begreifbar gemacht werden konnte/sollte, weil es einfach „zu groß“, zu unfassbar für die Menschen erschien. Sie antworteten darauf mit ihrer innigsten Hingabe und wurden mit tiefster, embryonaler Geborgenheit beschenkt.
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Die Hinwendung zum Geheimnisvollen war diesen Kulturen ebenso immanent wie das ständige Leben mit Analogien. Sie wurden überall im Makrokosmos wie im Mikrokosmos erkannt und auch rituell nachgestaltet.
Geläufige Beispiele sind da z.B.: die Öffnung - die Vulva, die Höhle - der Mutterschoß: Nachgebildet im (ur-)alten Ritual der Lakota - Schwitzhütte, die ihre reinigende, klärende, heilende Kraft entfaltet und als „Gebärmutter der Mutter Erde“ bezeichnet wird. Man kriecht ins Dunkel der Jenseits- oder Anderswelt hinein, um „neugeboren“ wieder herauszukommen.
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Dieses bergende, wärmende Dunkel, das letztlich als Schwarze Urmutter und/oder deren Schoß erfahren wurde, wurde sowohl als Ausgang in die diesseitige Welt, als auch als Eingang in die jenseitige Welt gesehen.
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Auch in den Schöpfungsmythen diverser, speziell indigener Völker kommen diese selbst aus dem Erdinneren – aus Öffnungen, aus Höhlen - um die Erdoberfläche zu bevölkern. Noch im Christentum heißt es: “Aus Erde bist Du, zu Erde wirst Du wieder…“.
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Es begegnet uns hier als Zyklisches in ununterbrochener Wandlung, in dem niemand verloren ging. Denn nach einem paradiesisch-jenseitigen Leben kehrten die verstorbenen Ahninnen und Ahnen in den allgegenwärtigen Mutterbauch zurück, wo sie umgestaltet wurden.
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Die Gebärmutter war der keltische Kessel der Verwandlung (später der Gral oder der "christliche" Kelch, z.B. als Attribut der hl. Barbara), der Ort der Metamorphose – ermöglicht durch die Erde wie durch die Frau -, in einem ständigen Zusammenwirken.
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Ebenso kehrten die Menschen nach ihrem diesseitigen Leben in den Schoß der All-Mutter zurück, um daraus in die jenseitige Welt wiedergeboren zu werden. Hier erwartete sie ein Leben mit den Nächsten und Liebsten, die vorher schon diesen Weg gegangen waren, in Freude und Fülle. So kann man hier von einem diesseitigen und jenseitigen Leben sprechen und nicht von einem Leben versus Tod, wie wir das heute kennen. Einem Tod, der vielleicht mit einem „Gar-nichts-mehr“ verbunden ist und daher auch mit einem zähen und schweren Sterbeprozess und der hilflosen Verzweiflung der Hinterbliebenen.
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Andererseits wurden die Grenzen zwischen der Allmutter und der realen Ahnin als verschwimmend wahrgenommen: Im archetypischen wie im familiären Bereich war die Große Mutter/Großmutter (im Dialekt als „d´Groaßmuata“ noch heute beides bezeichnend) jene, die beschützend Weisheit und Wissen an die Enkelkinder weitergab. Sie war die Hüterin des Wissens und damit der Identität von Stamm und Volk, was den sozialen Zusammenhalt und die spirituellen wie lebenspraktischen Bereiche betraf (welche niemals getrennt, sondern immer nur voll durchwirkt gelebt wurden).
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Bei der Pflege und Weitergabe von Können und Wissen wurde innerhalb einer archaischen Gesellschaft größter Wert auf ein empathisches Verhalten gelegt,
ein Mitschwingen wiederum auf der Basis von Analogien mit allem und jedem. Dieses Mitschwingen äußerte sich in einem ständigen In-Beziehung-Sein als Austausch, Ausgleich und gegenseitige Unterstützung. Es gipfelte darin, sich mit allem aus der Schöpfung - ganz real – verwandt zu fühlen und entsprechend zu handeln.
Aber diese Empathie war niemals nur einseitig gebend, sondern auch nehmend. Sie basierte auf der Einstellung: „Wie man in den Wald hinein ruft, so kommt es zurück“. – Hatte man Jagdglück, eine gute Ernte, kraftvolle Gesundheit, vitale Nachkommen, Wohlergehen in der Gemeinschaft, so wurde dies darauf zurückgeführt, dass die Große Mutter und ihre Geschöpfe auf all das einfühlsame Denken, Sprechen und Handeln ebenso mitfühlend reagiert hatten. (Das Wort für beten bedeutet in der Lakota - Sprache: „Sprechen mit Verwandten“). Dieses Mitschwingen des Menschen mit seinen Nächsten und in gleicher Weise mit der Schöpfung und das Angewiesensein auf deren Widerhall wurde durch den rituellen Bereich eingeprägt und intensiviert.
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Daher war man bestrebt, diesem jenseitigen/andersweltlichen Vorbild möglichst nahe zu kommen über die Pflege von bestimmten Werten und Einstellungen. Diese wurden durch Vorbildwirkung, Mythen und andere Erzählungen, sowie durch Gesänge, Gebete und Rituale an die nächste Generation weiter gegeben. So wurde auch im Hier und Jetzt ein möglichst gutes Zusammenleben in Gemeinschaft und Schöpfung gepflegt.
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So wurden Rituale in allen Lebensbereichen eingesetzt. Sie wurden so gestaltet, dass sie die Menschen stützten und stärkten, balancierten und heilten. In diesem Sinne konnten/sollten sie auch Altes aufbrechen, um Neuem Platz zu machen. Dies war u.a. bei Lebensübergängen wichtig.
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Je kriegerischer, autoritärer und hierarchischer eine Gesellschaft organisiert wird, desto mehr geht von all dem Beschriebenen verloren. Solche Gesellschaftsformen sind auch nicht mehr am Wachsen des Individuums - um damit das Gemeinwohl zu bereichern – interessiert. Hier geht es um Eigennutz weniger Herrschender bis hin zur Willkür, und, um dies alles durchzusetzen, um Gewalt. Da kann auch keine Hingabe mehr gepflegt werden bei den Untergebenen, wenn Einschüchterung und Knechtschaft die Mittel der Wahl sind.
Hier wird die traumatisierte Persönlichkeit zum Ideal erhoben: Der „Held“. Durch Mythen und Geschichten wird er zur Unsterblichkeit verklärt.
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Durch unsere Geschichtsbücher zieht sich nach wie vor die Blutspur solcher Helden und Heerführer. Auch in vielen heutigen Filmen und Videospielen werden sie speziell als Einzelkämpfer hochstilisiert, verherrlicht und zur Nachahmung an die nächste Generation weitergegeben. Da wird zur Gewaltbereitschaft erzogen.
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Dem gegenüber erleben wir hier eine Frau und Kunstschaffende, welche in ihren Bildern in durchgehender Weise oben behandelten weiblichen Wurzeln nachspürt, wobei eine Auseinandersetzung mit den Aspekten der Schwarzen, gerade in den späteren Bildern, deutlich wird. Dies kommt u.a. durch den Wechsel von Öl- und Acrylfarbe auf Ei-Tempera und Naturpigmente zum Ausdruck. Es verändert sich etwa rote Farbgebung zum Dunkleren hin, speziell zu Brauntönen. In der Assoziation wird frisches Blut zu vertrocknetem.
Es verändern sich aber auch Formen, etwa vom Ganzkörperlichen hin zu Körperteilen. In bestimmter Weise ein Sich-von-einander-Lösen, ein Lösen vom Leiblichem, um einem Durchgeistigten Platz zu machen. Es zielt weg von einem Blick, der anfangs auch noch im Außen, im Geschehen weilt (teils auch in recht humorvoller Weise), hin zu einem Blick, der ein Staunen bis zum Innewerden zulässt, dem Unergründlichen verpflichtet.
Auch im Strich zeichnet sich Veränderung ab: Von einer vitalen, teils bis ins Aggressive gehenden, teils auch zerstreuten Pinselführung hin zu einer geschlossenen Linienführung als Spiegel einer Klarheit, die sich einem numinosen „Dahinter“ mehr und mehr öffnet.
Es begegnet uns hier in den Bildern von Barbara Buttinger-Förster ein Entdecken und Ergründen von weiblichen Wurzeln im Persönlichen wie Überpersönlichen – in Kontakt mit der eigenen Intuition, oft als Überraschung der Künstlerin selbst. Mit ihren eigenen Worten ausgedrückt: „Die Erforschung dessen, was jenseits von Zeit und Raum liegt…“. |